An dieser Stelle möchten wir häufige Fragen zur Wiederaufnahme im Strafrecht beantworten.
Grundsätzliches
Was ist das Ziel eines Wiederaufnahmeantrags?
Mit der Wiederaufnahme soll ein Strafverfahren wiederholt werden, um möglich ein besseres Ergebnis zu erreichen.
Wie kann der Wiederaufnahmeantrag begründet werden?
Grund für einen Wiederaufnahmeantrag sind ausschließlich Tatsachenfehler aufgrund mangelnder Kenntnis des Gerichts. Es müssen sich also neue Erkenntnisse ergeben haben, die beim Urteil nicht berücksichtigt werden konnten.
Ich kann beweisen, dass ein Zeuge falsch ausgesagt hat. Können wir jetzt eine Wiederaufnahme beantragen?
Nein, eine Falschaussage kann nur durch Verurteilung des Zeugen bewiesen werden. In diesem Fall muss also zunächst eine Strafanzeige erstattet werden und die Staatsanwaltschaft muss die Verurteilung des Zeugen anstreben.
Der Zeuge wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen oder das Verfahren wurde eingestellt. Ist damit eine Wiederaufnahme möglich?
Nein. Wenn die Falschaussage nicht durch Strafurteil festgestellt wurde, kann ein Wiederaufnahmeantrag nicht darauf gestützt werden.
Dem Zeugen kommt zwar der Grundsatz „in dubio pro reo“ zugute, nicht aber dem Antragsteller im Wiederaufnahmeverfahren. Das ist nicht unbedingt gerecht, aber gesetzlich so geregelt.
Kann ein Rechtsfehler die Wiederaufnahme begründen?
Nein, eine falsche rechtliche Bewertung ist kein Grund für eine Wiederaufnahme.
Kann eine Änderung der Rechtsprechung die Wiederaufnahme begründen?
Nein, auch eine spätere Änderung der Rechtsprechung oder auch des Gesetzes ist kein Wiederaufnahmegrund.
Wird also das Gesetz geändert oder aufgehoben, auf dessen Basis die Verurteilung erfolgt ist, ändern dies am Urteil nichts.
Das gleiche gilt, wenn z.B. der Bundesgerichtshof später in einem anderen Verfahren eine Rechtsfrage anders entschieden hat und deswegen das Verhalten nicht mehr strafbar wäre. Ein solches Urteil stellt keine neue Tatsache dar.
Ist ein Geständniswiderruf eine neue Tatsache?
Prinzipiell schon, es wird aber nur ausnahmsweise geeignet sein, eine Wiederaufnahme zu begründen.
Notwendig dafür ist, dass der Verurteilte genau und nachvollziehbar darlegt, warum er ursprünglich ein falsches Geständnis abgelegt hat und warum er dieses nun widerruft.
Kann ein schon vernommener Zeuge ein neues Beweismittel sein?
An sich ist ein Zeuge, der im Verfahren bereits ausgesagt hat, kein neuer Beweis. Er ist schon begrifflich nicht neu, sondern eben alt, da seine Aussage schon bekannt war. Wie die Aussage dann vom Gericht gewertet wurde, ist für die Wiederaufnahme unerheblich.
Eine Ausnahme gibt es nur dann, wenn er zu einem neuen Beweisthema aussagen soll, zu dem er im ursprünglichen Verfahren nicht befragt wurde. Beispiel: Der Zeuge Z hat zwar zum Bankraub ausgesagt, nicht aber zum Überfall auf den Supermarkt. Dann kann er (nur) in Bezug auf die zweite Tat neue Tatsachen aussagen, die möglicherweise zu einer Wiederaufnahme führen.
Warum bearbeiten zwei Anwälte die Wiederaufnahme?
Die Tätigkeit zweier Anwälte erhöht die Qualität des Wiederaufnahmeantrags und verbessert damit dessen Chancen erheblich. Durch das Vier-Augen-Prinzip werden häufig mehr Argumente gesehen und die Ansätze kritisch hinterfragt.
Zudem führt die unterschiedliche Spezialisierung der beiden Anwälte zu einer umfassenderen Bearbeitung auf verschiedenen Perspektiven:
- Rechtsanwalt Thomas Hummel ist als Verfassungsrechtler vor allem mit den Rahmenbedingungen eines Strafverfahrens vertraut.
- Rechtsanwalt David Grziwa ist der Spezialist für das materielle Strafrecht und kann überzeugend darlegen, wie sich eine andere Tatsachenbasis auf das Urteil ausgewirkt hätte.
Gibt es eine Frist für die Wiederaufnahme?
Nein, die Wiederaufnahme ist im Strafrecht an keine Frist gebunden. Weder die Zeit seit dem Urteil noch die Zeit, seit der die Wiederaufnahmegründe bekannt geworden sind, spielt eine Rolle.
Im Ordnungswidrigkeitenrecht dagegen ist die Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn seit Rechtskraft mindestens drei Jahre vergangen sind.
Gibt es eine Mindeststrafe, ab der die Wiederaufnahme zulässig ist?
Im Ordnungswidrigkeitenrecht dagegen ist die Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn eine Geldbuße von 250 Euro oder weniger festgesetzt wurde.
Verfahrensablauf
Was ist das Additionsverfahren?
Im Additionsverfahren prüft das Gericht den schriftlichen Wiederaufnahmeantrag. Es unterstellt zunächst, dass alles genau so ist, wie der Antrag behauptet. Anschließend entscheidet es, ob diese Tatsachen eine Wiederaufnahme rechtfertigen würden, insbesondere also, ob neue Beweise zu einem Freispruch oder einer relevanten Änderung des Schuldspruchs führen würden.
Teilweise wird dies auch als Zulässigkeitsprüfung bezeichnet. Denn ein Antrag, der gar nicht zum Erfolg führen kann, ist schon unzulässig.
Was ist das Probationsverfahren?
Im Probationsverfahren werden dann die angebotenen Beweise erhoben. Das Gericht prüft also bspw., ob die benannten Zeugen auch wirklich das aussagen, was im Antrag behauptet wurde.
Dies wird teilweise als Begründetheitsprüfung bezeichnet.
Was ist das Novationsverfahren?
Das Novationsverfahren ist die neue Hauptverhandlung, also die Wiederholung des Strafprozesses.
Kann auf das Novationsverfahren verzichtet werden?
Ja, eine Hauptverhandlung ist nicht immer notwendig. Ein Verzicht darauf kommt aber nur unter zwei Voraussetzungen in Betracht, nämlich
- wenn der Verurteilte bereits verstorben ist (§ 371 Abs. 1 StPO) oder
- wenn die Unschuld im Probationsverfahren zweifelsfrei erwiesen wurde und die Staatsanwaltschaft zustimmt (§ 371 Abs. 2 StPO).
Gibt es ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme?
Ja, eine negative Entscheidung kann mit der Beschwerde angefochten werden. Das Beschwerdegericht prüft die Sache dann noch einmal komplett selbst.
Gibt es ein weiteres Rechtsmittel gegen die Beschwerdeentscheidung?
Der Rechtszug der Wiederaufnahme ist grundsätzlich nur zweigliedrig, es gibt also lediglich die Ausgangsentscheidung und die Beschwerdeentscheidung.
Gegen die Beschwerdeentscheidung ist dann allerdings eine Verfassungsbeschwerde möglich. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde kann aber nicht einfach die Unrichtigkeit der Entscheidung moniert werden, vielmehr muss eine Grundrechtsverletzung dargelegt werden. Rechtsanwalt Thomas Hummel ist auf Verfassungsbeschwerden spezialisiert und kann auch deren Aussichten prüfen und ggf. eine Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme für Sie einreichen.
Welche Gerichte entscheiden im Wiederaufnahmeverfahren?
Über die Wiederaufnahme entscheidet ein Gericht des gleichen Rechtszugs wie das Tatsachengericht, dessen Entscheidung angefochten wird. Da die letzte Tatsacheninstanz normalerweise das Landgericht ist (als erste Instanz oder als Berufungsgericht) und die Revisionsentscheidung von Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof, entscheidet meist auch ein Landgericht über die Wiederaufnahme.
Nur, wenn ausnahmsweise nur das Amtsgericht entschieden hat, weil bspw. keine Berufung eingelegt wurde oder ein Strafbefehl rechtskräftig geworden ist, ist auch das Amtsgericht für die Wiederaufnahme zulässig. In extrem seltenen Fällen, in denen das Oberlandesgericht erstinstanzlich zuständig war (meist Staatsschutzverfahren), übernimmt das OLG die Wiederaufnahme.
Eine Besonderheit ist, dass es innerhalb eines Oberlandesgerichtsbezirks meist ein ganz bestimmtes Amtsgericht und ein ganzes bestimmtes Landgericht gibt, das für alle Wiederaufnahmen im OLG-Bezirk zuständig ist.
Über die Beschwerde entscheidet das jeweils nächsthöhere Gericht, also
- Landgericht bei Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts,
- Oberlandesgericht bei Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts,
- Bundesgerichtshof bei Beschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts.
Eine eventuelle Verfassungsbeschwerde ist sinnvollerweise zum Bundesverfassungsgericht zu erheben, da es sich bei StGB und StPO um bundesrechtliche Vorschriften handelt, deren Anwendung von den Landesverfassungsgerichten in der Regel nur eingeschränkt überprüft wird.
Kosten
Wie hoch sind die Anwaltskosten?
Das Wiederaufnahmeverfahren ist aufwendig: Es verlangt ein genaues Durcharbeiten der Akten und eine ausführliche Darlegung der Wiederaufnahmegründe. Die schlägt sich natürlich auch in den Kosten nieder.
Die Kosten liegen in der Regel in einem Bereich zwischen 5.000 und 25.000 Euro. Dies umfasst die Tätigkeit beider Anwälte und ihrer Mitarbeiter sowie alle anfallenden Auslagen. Hinzu kommen allerdings noch die Gerichtskosten in der Gegend von wenigen hundert Euro (siehe unten).
Ist es billiger, wenn ich nur einen Anwalt beauftragen?
Wie oben beschrieben, ist es uns ein besonderes Anliegen, nur qualitativ hochwertige Wiederaufnahmeanträge zu stellen, um die chronisch niedrigen Aussichten wenigstens zu optimieren. Darum erledigen RA Grziwa und RA Hummel diese Mandate nur gemeinsam, eine getrennte Mandatierung ist nicht möglich.
Welche Gerichtskosten kommen hinzu?
Bei einem erfolgreichen Wiederaufnahmeantrag fallen keine Gerichtsgebühren an, denn man hat ja „Recht bekommen“.
Ansonsten entsteht die halbe Verfahrensgebühr des erstinstanzlichen Verfahrens. Diese richtet sich nach der damals festgelegten Strafe und liegt (ohne Gewähr) ungefähr bei folgenden Beträgen:
- bis sechs Monate oder 180 Tagessätze – 77,50 Euro
- bis ein Jahr oder höhere Geldstrafe – 155,00 Euro
- bis zwei Jahre – 232,50 Euro
- bis vier Jahre – 310,00 Euro
- bis zehn Jahre – 387,50 Euro
- mehr als zehn Jahre – 550,00 Euro
Erhalte ich die Anwaltskosten erstattet, wenn der Wiederaufnahmeantrag erfolgreich ist?
Grundsätzlich nicht. Rechnen Sie bei Ihrer Abwägung, ob Sie eine Wiederaufnahme angehen wollen, immer damit, dass Sie die gesamten Kosten selbst tragen müssen.
Im Erfolgsfalle wird allenfalls ein geringer, pauschal festgelegter Teil durch den Staat erstattet.
(Letzte Aktualisierung: 08.06.2024)